Das Wimmern der Waggons verwehte, und als Hertz die Augen öffnete, war er sich sicher, dass es der asthmatische Atem eines Generators sein musste. Die Nacht war noch warm, um die Lichtkugeln der Laternen tanzten Motten. Dann die ersten Stimmen seit Stunden: slawisches Idiom und das Röhren eines dieselbetriebenen Lkws, nachdem schwere Kisten auf dem Asphalt abgestellt waren. Gebremstes Metall sprühte, dann verharrten die Loks auf den Gleisen wie ausrangiertes Elend. Nichts war zu hören außer sonorem Summen. Hertz betastete seinen Brustkorb, und als der sich hob, sah er Kontinente auf dem Morgenmond. Er konnte nicht fassen, dass er die Nacht auf einer Bank am Hauptbahnhof verbracht hatte. „Hey Diggä“, grüßte sein Nachbar aus dem Schlafsack und bot Hertz einen Schluck Korn an.
Um sieben ging er dann auf die Kennedybrücke und warf seine Krawatte auf die Alster. Der rotweißgestreifte Stoff kreiselte stadtauswärts und war zu stolz, zu versinken. Hertz roch das Aroma der Alster. Nie zuvor hatte er die Ruhe von Wasser wahrgenommen. Nie zuvor hatte er etwas wahrgenommen, das nicht mit Recruting, Synergien und Hegenbarths Obsessionen für die Beherrschung des asiatischen Marktes zusammenhing. Er lehnte über dem Geländer und entdeckte das ungelenk eingeritzte „Chesus Emperado, I loves you“…
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Lesen > Das Ende unserer Tage (Auszug S.1 – 37)
Studieren > Der Roman als Grundlage der Dissertation des Literaturwissenschaftlers Dr. Amr Aboelsoud (FU Berlin, 2020)